Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung des mutmaßlich verdächtigen Todes des Menschenrechtsanwalts Khosro Alikordi und Verurteilung der Festnahme von Menschenrechtsverteidiger: innen im Iran

Herausgegeben von:
Gesellschaft zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran – Österreich
Wien – 14. Dezember 2025
An:
Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte
Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen
Sonderberichterstatter: innen der Vereinten Nationen
Wir, die Unterzeichnenden, als unabhängige in Wien ansässige Menschenrechtsorganisation, bringen unsere tiefe Besorgnis und unseren entschiedenen Protest über den mutmaßlich verdächtigen Tod des verstorbenen Khosro Alikordi, eines renommierten Rechtsanwalts und bekannten Menschenrechtsverteidigers im Iran, sowie über die willkürliche und gewaltsame Festnahme von Menschenrechtsverteidiger: innen im Zusammenhang mit seiner Gedenkveranstaltung zum Ausdruck.
1. Mutmaßlich verdächtiger Tod von Khosro Alikordi und staatliche Verantwortung
Khosro Alikordi, zugelassener Rechtsanwalt und Verteidiger von Inhaftierten der landesweiten Proteste sowie von Familien, die Gerechtigkeit fordern, verstarb am 6. Dezember 2025 in seinem Büro in Maschhad. Obwohl die Behörden die Todesursache offiziell als „Herzinfarkt“ angegeben haben, stellen vorliegende Beweise, unabhängige Berichte und die breite Reaktion der iranischen Anwaltschaft diese Darstellung ernsthaft in Frage.
Mehr als 80 iranische Anwält: innen haben in einer offiziellen Erklärung sofortige Transparenz, eine unabhängige Untersuchung und uneingeschränkten Zugang der Familie zur Wahrheit gefordert. Diese Forderung ist angesichts der dokumentierten Vorgeschichte von Sicherheitsdruck, willkürlichen Inhaftierungen, Bedrohungen, Exil und beruflicher Entrechtung von Herrn Alikordi von besonderer Bedeutung. Er hatte bereits zuvor ausdrücklich vor lebensbedrohlichen Risiken infolge seiner beruflichen Tätigkeit gewarnt und internationale Stellen um Unterstützung ersucht.
Gemäß den internationalen Verpflichtungen der Islamischen Republik Iran aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) ist der Staat verpflichtet, das Recht auf Leben zu schützen und bei verdächtigen Todesfällen wirksame, unparteiische, unabhängige und transparente Untersuchungen durchzuführen. Jede Unterlassung oder Einflussnahme auf den Wahrheitsfindungsprozess stellt eine Verletzung dieser Verpflichtungen dar.
2. Festnahme von Menschenrechtsverteidiger: innen bei der Gedenkveranstaltung
Zeitgleich mit diesem Vorfall unterdrückten Sicherheitskräfte der Islamischen Republik Iran eine friedliche Gedenkveranstaltung am siebten Tag der Trauer um Khosro Alikordi in Maschhad und nahmen mehrere Menschenrechtsverteidiger: innen willkürlich fest. Unter den Festgenommenen befinden sich Frau Narges Mohammadi, Friedensnobelpreisträgerin 2023, Frau Sepideh Gholian sowie weitere zivilgesellschaftliche und menschenrechtliche Aktivist: innen.
Diese Festnahmen erfolgten ausschließlich aufgrund der Teilnahme an einer Trauerveranstaltung und der friedlichen Ausübung grundlegender Rechte. Sie stellen eine klare willkürliche Inhaftierung, eine Verletzung der Versammlungsfreiheit sowie des Rechts auf Teilnahme an kulturellen und sozialen Praktiken dar, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in internationalen Menschenrechtsverträgen garantiert sind.
3. Konkrete Forderungen
Vor diesem Hintergrund fordern wir die zuständigen Organe der Vereinten Nationen auf:
- eine unabhängige, unparteiische und internationale Untersuchung zum Tod von Khosro Alikordi unter Beteiligung unabhängiger forensischer Sachverständiger sicherzustellen und deren Ergebnisse öffentlich zu machen;
- die iranischen Behörden formell zur Sicherung und Vorlage sämtlicher relevanter Beweismittel sowie zur Gewährleistung der Sicherheit der Familie, der Rechtsbeistände und der Zeug: innen aufzufordern;
- die sofortige und bedingungslose Freilassung aller im Zusammenhang mit der Gedenkveranstaltung festgenommenen Menschenrechtsverteidiger: innen zu verlangen;
- wirksame Maßnahmen der Sonderberichterstatter: innen der Vereinten Nationen im Rahmen ihrer Mandate zu ergreifen, einschließlich der Übermittlung von Eilappellen an die iranische Regierung;
- diesen Fall innerhalb der Mechanismen des Menschenrechtsrates als Beispiel eines systematischen Musters von Repression und Straflosigkeit gegenüber Menschenrechtsverteidiger: innen im Iran zu behandeln.
4. Schlussbemerkung
Der mutmaßlich verdächtige Tod eines Menschenrechtsanwalts und die Festnahme prominenter Menschenrechtsverteidiger: innen während einer Trauerveranstaltung stellen keinen Einzelfall dar, sondern sind ein alarmierendes Zeichen für den besorgniserregenden Zustand der Rechtsstaatlichkeit und die Gefährdung zivilgesellschaftlicher Akteurinnen im Iran. Schweigen oder unzureichende Reaktionen der internationalen Gemeinschaft erhöhen das Risiko der Fortsetzung und Wiederholung solcher Menschenrechtsverletzungen.
Wir fordern die internationalen Institutionen nachdrücklich auf, alle verfügbaren Mechanismen im Interesse von Wahrheit, Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht zu nutzen.
Mit vorzüglicher Hochachtung,
Dr. Behrooz Bayat
Sprecher
Gesellschaft zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran – Österreich
Wien – 14. Dezember 2025